von WU ZHAOZHAO

For the Art Excelling Nature 1992aus: Wu Zhaozhao, For the Art Excelling Nature—Collected Works on Chinese Gardens, China Architecture & Building Press, 1992: 178–181.

I. INTENTION

Die Gärten aus dem Gebiet südlich vom Yangtse-Fluß sind die Essenz der chinesischen Gartenkunst. Die Virtuosität dieser Gärten liegt darin, daß man die Theorie der traditionellen chinesischen Malerei beim Bau des Gartens anwendet, um die natürliche Landschaft in einem kleineren Raum zu konzentrieren, die Landschaft und Bauwerke zu einem Ganzen zu verschmelzen. Dadurch entsteht in einem beschränkten Raum eine offene und vielschichtige Szenerie, die wie eine Landschafts-Malerei wirkt. Der auszustellende chinesische Garten gilt als repräsentatives Werk der südchinesischen Gärten.

Der chinesische Garten für die Ausstellung, "Qing Yin Garten" genannt, wird nach dem Gedicht von Zuo Si, Dichter der Jin-Dynastie (619-907), benannt:

"Nicht nur Laute und Flöten, sondern auch Berge und Wasser ergeben eine schöne Melodie." Das bedeutet, daß Berge und Wasser so bezaubernd wie Gemälde und Melodien wirken, so daß beim Besucher eine Assoziation aus der Szenerie erweckt wird und die Landschaft und das Empfinden wechselseitig aufeinander wirken. Das ist die eigenartige Wirkung des chinesischen Gartens.

II. ANORDNUNG

Nach der Meinung der deutschen Besichtigungsdelegation von Experten für Gartenkunst unter der Führung von Herrn Pantke in China sollte der auszustellende chinesische Garten eine typische Anordnung des Gelehrten-Gartens südlich vom Yangtse-Fluß aufweisen. Er sollte den Charakter der Landschaft in Yangzhou wiedergeben, die einen kräftigen Kontrast zwischen Bergen und Wasser bildet und einen eigentümlichen Baustil hat. Gleichzeitig sollte der Baustil der südchinesischen Gärten, in denen Bauwerke nahe dem Wasser gebaut sind, berücksichtigt werden.

Nach der Meinung der deutschen Seite ist die Anordnung des chinesischen Gartens wie folgt geplant: Die Anordnung von Bergen und Wasser bietet eine Sicht von hohen Bergen und fließendem Wasser. Das ist das Hauptthema des ganzen Gartens, dessen Name "Qing Yin" (schöne Melodie) sich aus der Landschaft von Bergen und Wasser herleitet. Hier wird die Freundschaft zwischen China und Deutschland bzw. zwischen der Provinz Jiangsu und Baden Württemberg angedeutet. Der Teich ist das Zentrum der Gartenkomposition, umgeben von Hallen, Bergpavillons, künstlichen Bergen und Steinbrücken. Das alles steht in unregelmäßiger, aber ausgeglichener Beziehung zueinander. Die gut kombinierten Farben von weißen Mauern, zinnoberroten Brüstungen und grauen Dachziegeln kennzeichnen völlig einen altertümlichen chinesischen Garten.

III. ENTWURF

Der Garten wird nach Osten gerichtet, und der Haupteingang ist mit dem typischen südchinesischen Steintürbesatz versehen. Kennzeichnend für diesen Baustil sind die edele Einfachheit und farbige Klarheit. Der als Torgang in die Mauer eingepaßte Halbpavillon mit Dachvorsprüngen erscheint altertümlich und vornehm. Die Tafel über der Oberschwelle mit polierten Dachziegeln zeigt den Namen des Gartens.

Tritt man in den Garten, sieht man die künstlichen Berge. Hier wird die Methode "Verdecken der Szenerien" aus dem chinesischen Gartenbau verwendet, nämlich die Theorie der Malerei "Will man etwas hervorheben, muß es in den Hintergrund gestellt werden". Hinter dem mit Steinen aus dem Taihu-See aufgetürmten Berg, findet sich ein freier Raum mit einem weiten See, auf dem sich das Wasser kräuselt. Auf der anderen Seite des Sees steht der Huang Shi Shan (Berg Gelber Steine), der in den Himmel hochragt. Man hat hier eine so berauschende Szenerie vor sich, wie sie im folgenden Gedicht geschildert wird:

"Das Wasser kräuselt sich und die Berge so bildschön;
Der Bach verschleiert sich und die Wolken um die Blumen."

Wenn man in die "Si Yi Ting" (Halle der Freundschaft) eintritt, kann man die Schönheit der Landschaft wie auch das Raffinement der chinesischen Architektur bewundern. In der Mitte der Halle stehen die mit Kiefern, Bambus und Winterkirschen geschnitzten Trennwände aus Holz. Davor sind die Möbel im Stil der Ming-Dynastie (1368-1644). Auf den beiden Seiten in der Halle hängen Meisterwerke der traditionellen chinesischen Malerei und Kalligraphie. Das ist eine typisch chinesische Einrichtung für den Teegenuß, das Musizieren wie auch für das Schachspielen, Kalligraphieren und Malen. Westlich der Halle gibt es einen kleinen Hof mit bizarren Steinen und Kletterpflanzen. Vom Fenster der Halle aus bewundert man ein dreidimensionales chinesisches Gemälde, das so aussieht, als ob man es mit weißer Wand als Papier und mit Bäumen und Steinen als Schreibzeug gezeichnet hätte. Auf der Terrasse draußen sieht man künstliche Berge emporragend im Nordosten des Gartens stehen. Die Steine und die Hügel der ganzen künstlichen Berge sind ganz klar und vielschichtig angeordnet, genau so, wie Su Dong-po, ein großer Dichter der Song-Dynastie (960-1127), im Gedicht geschildert hat:

"Horizontal gesehen wie Bergkette,
Seitlich gesehen wie Gipfel,
Ganz anders erscheinend von weitem,
Von nahem, von oben und von unten."

Aus der Höhe der bepflanzten Berge fällt ein smaragdfarbiges Wasser ohne Unterbrechung ab; das ist der Wasserfall, der aus den Spalten der Steine in den tiefen Teich mündet. Ein breiter See entwickelt sich aus zahlreichen Bächlein, wie das Spruchpaar in der Halle der Freundschaft schildert:

"Tausende von Kiefern sprühen ihre Smaragde;
Ein Bach fließt aus den Wolken hinunter."

Der Pavillon auf dem Gipfel ist der Höhepunkt des Gartens.

Südlich von der Halle der Freundschaft verkleinert sich der Raum nach und nach zu einem Innenhof, wo weiße Mauern und Blumen-Fenster, Berge, Steine und Bäche, seltene Blumen und Pflanzen, geschmückte Straßen und gepflasterte Wege zu sehen sind. Ein wildbewegtes Landschaftsbild!

Den See entlang geht man ostwärts zu den künstlichen imposanten Bergen. An den Berghängen sind steinerne Treppen verlegt. Das ganze System entspricht dem Malprinzip "Die Berge wollten sich bewegen und ausbreiten". Die Komposition ist durch große Grotten, tiefe Schluchten und schmale Wege gekennzeichnet, wobei eine Naturlandschaft nachgebaut wird. Täler, Steine mit Wasser, Lavagrotten und Spalten werden dem Gelände entsprechend geformt. Berge und Wasser unterstützen sich und bringen ihre jeweiligen Vorzüge zur Geltung.

Der Berg-Pavillon ist dem bergigen Gelände entsprechend errichtet, gestützt von Säulen mit unterschiedlicher Länge, was den Eindruck vermittelt, daß "der Himmel fällt und die Erde hervorragt". Als Höhepunkt der Aussicht wird der Pavillon "Pavillon Aller Himmelsrichtungen" genannt. Er ermöglicht einen weiten Ausblick auf die Landschaft innerhalb und außerhalb des Gartens und begrüßt Gäste aus allen Himmelsrichtungen.

Die Pflanzenszenerien im Garten sind nach dem Stil des südchinesischen Gartens geplant, wobei die immergrünen Bäume vorherrschen, auch ergänzt durch sommergrüne Bäume und Büsche, um den jahreszeitlichen Wechsel auszugleichen. Für die einzelnen Szenerien werden oft immergrüne Baumarten gebraucht, die klein, aber fein und bildschön sind. Die wertvollen Bäume, die um die Hallen und anderen Bauten gepflanzt sind, haben schöne Formen, damit die Besucher sie als Einzelbäume bewundern können. Auf den künstlichen Bergen und am Ufer des Sees werden niedrige Bäume und hängende Kletterpflanzen angebaut, die einen dynamischen, natürlichen und archaischen Eindruck vermitteln. Im Teich blühen Lotosblumen und am Rand des Teichs sind Schilfe zu bewundern, die Wirkung einer wilden Natürlichkeit hervorruft. Alle Pflanzen sollten einheimisch sein, und sie sollten die Szenerie schon zum Zeitpunkt der Ausstellung bilden können.